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Kurzgeschichte der Post- und Ansichtskarte


Postkarten (ohne Bild)

1760
Das private Unternehmen “Petite Poste” in Paris führt offen lesbare Mitteilungen ein, die Vorläuferinnen der Post- und späteren Ansichtskarten.

1777
Ein Pariser Graveur schickt seinen Freunden selbstgemachte Postkarten.

1861
In den USA wird vom Kongress ein Gesetz verabschiedet, das erlaubt privat gedruckte Karten mit einem Gewicht von unter einer Unze mit der Post zu verschicken. Es ist die erste staatliche Genehmigung zur Verwendung von Postkarten.

1861
John P. Charlton aus Philadelphia nutzt das neue US-Postkartengesetz und lässt sich die Postkarte urheberrechtlich schützen.

1865
Zuerst in Preussen, dann auch in anderen deutschen Gebieten erscheinen kastenförmige “Postanweisungen”.

1865
Der deutsche Postdirektor Heinrich von Stephan schlägt vor Postkarten in der Grösse eines üblichen Briefcouverts mit aufgedruckter Marke herzustellen. Der Markenwert soll so bemessen sein, dass das Porto für die ganze Welt Gültigkeit hat. Die Idee wird von der preussischen Generalpostdirektion abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, dass mit diesen von jedermann lesbaren Botschaften beleidigende oder unanständige Mitteilungen an die Öffentlichkeit gelangen könnten.

1869
Die erste “Correspondenz-Karte” der Welt erscheint in Österreich und verfügt über eine aufgedruckte Marke. Sie ist ein Riesenerfolg, werden doch innert eines Jahres 9,5 Millionen Stück verkauft.

Innert Monaten folgen die meisten Länder von Europa, stellt sich der Verkauf doch als ein äusserst lohnendes Geschäft heraus. Viele bisher defizitäre Postverwaltungen sind in kürzester Zeit saniert und machen Gewinn.

1870
Die Schweiz gibt ihre erste, eigene “Carte-correspondance” im Format 122 x 85 mm heraus mit aufgedruckter Frankatur. Das Inland-Porto von 5 Rappen ist bis 1917 gültig.

Carte-correspondance mit aufgedruckter Frankatur, datiert vom 9.6.1871, von Nyon VD nach Lausanne VD. Es ist handelt sich vom Aussehen her also um die erste Correspondenzkarte der Schweiz.

1870/71
Während des Deutsch-Französischen Krieges kommt es erstmals in grösserem Umfang zur Verwendung von Postkarten. Nachdem für die mobilen deutschen Truppen ab 17. Juli 1870 Portofreiheit gegolten hatte, wurden bis Dezember 1870 rund 10 Millionen “Feldpost-Correspondenzkarten” in die Heimat verschickt.

1872
In Deutschland wird die Correspondenzkarte in Postkarte umbenannt, in der Schweiz findet dieser Schritt erst 1879 statt. Nach einer Anfangszeit mit hohem Postkartenaufkommen erfolgt ein Rückgang, bis im Juli 1872 das Posto halbiert wird.

1873 bis heute
Die schweizerische Postverwaltung gibt immer wieder geänderte und neugestaltete Postkarten heraus. Fehlende Frankaturen (z.B. für eine Nachnahme) müssen durch aufgeklebte Briefmarken ergänzt werden.

Aber auch Bundesämter (SBB, PTT, Militär) und vor allem Firmen verwenden eine Vielzahl von Post- und Bildpostkarten, mit und ohne Frankaturaufdruck. Sie werden als “Amtliche Formulare ohne Wertstempelaufdruck” bezeichnet.

Carte-correspondance mit aufgedruckter Frankatur, nach 1873. Datiert vom 23.8.1874, von Meilen ZH nach Zürich.
Carte-correspondance mit aufgedruckter Frankatur und Zusatzfrankatur als Nachnahme. Datiert vom 22.5.1876, von Zürich nach Zug.
Postkarte mit aufgedruckter Frankatur. Datiert vom 22.2.1898, von Otelfingen nach Fehraltorf ZH. Absender Jakob Schlatter, Handlung, Otelfingen.
Postkarte mit aufgedruckter Frankatur und Zusatzfrankatur als Nachnahme (Annahme verweigert). Datiert vom 19.9.1899, von Basel nach Basel.
Postkarte mit Portofreiheit (amtlich). Bauinspektorat Zürich. Datiert vom 25.8.1894, von Zürich nach O(e!)telfingen.

1875
Der neu gegründete Weltpostverein bewilligt die Verwendung von Postkarten und setzt das Porto innerhalb der Mitgliedsländer (dazu gehören auch Nord- und Südamerika sowie Fernost) auf 10 Pfennig bzw. 10 Rappen fest. Dieser Tarif ist bis 1921 gültig. Die Grösse, Einteilung, die Texte der Aufdrucke sowie die Vorschriften über das Ausmass und der Ort der geschriebenen Texte sind genau reglementiert. 1882 werden innerhalb des Weltpostvereins (damals 22 Mitglied-Länder) eine Milliarde Postkarten verkauft. Seit 1947 ist der Weltpostverein UPU mit 192 Mitgliedern und Sitz in Bern ein Teil der Uno.

Postkarten (mit Bild) und Ansichtskarten

1870
In Deutschland (Oldenburg) wird die erste Bildpostkarte der Welt hergestellt, das heisst eine Karte mit aufgedruckter Frankatur und einem rückseitigen Bild. Dieses stellt einen Artilleristen dar, der von launigen und gedruckten Versen umgeben ist.

1872
In Nürnberg erscheinen die ersten Stahlstich-Karten mit Bildmotiven aus der Schweiz (unter anderen von Luzern und Schloss Chillon). Wenige Monate später wird die erste in der Schweiz hergestellte Bildpostkarte verkauft mit Sujets von Zürich. Die Ansichten beschränken sich jedoch ausschliesslich auf touristisch interessante Motive.

Ab 1885
Riesige Ansichtskartenfabriken, vor allem in Deutschland mit bis zu 1200 Mitarbeitern, sorgen für die Deckung der ständig steigenden Nachfrage. So erscheinen jeden Tag bis zu 100 neue Sujets. Die Nachfrage nach diesem günstigen Kommunikationsmittel explodiert.

In Europa setzt eine grosse Sammlertätigkeit für Ansichtskarten ein. Schnell entsteht auch ein Tausch- und Sammlermarkt, und fast jede Familie verfügt um die Jahrhundertwende über wunderschön gestaltete Einsteckalben. Dabei werden in der Regel sämtliche Ansichtskarten ohne System eingereiht nach dem Motto “je exotischer, desto interessanter”. Heute noch sieht man immer wieder im Text von Karten aus dieser Zeit den Hinweis “für Deine Sammlung”.

1888
Die Fotografie hält bei den Bildpost- und Ansichtskarten Einzug, erstmals in Deutschland.

Ab 1895
Geschäftstüchtige Druckereien versorgen nun praktische jede Ortschaft und jeden Aussichtspunkt der Schweiz mit Ansichtskarten. Ein Verkaufsladen, ein Hotel/Restaurant oder eine Firma “muss” einfach dieses Kommunikations- und Werbemittel im Angebot führen, wenn man mit dem Zeitgeist gehen will. Die ersten “Gruss aus…”-Karten werden ab 1895 meist im Chromolithographie-Verfahren hergestellt, oft farbig koloriert, vereinzelt auch in schwarz-weiss. Vermehrt erscheinen auch Karten mit einem Motiv, z.B. Karikaturen, Glückwünschee und Trauer, Liebesgrüsse, Bibelverse, Kitsch, Militär, Unglücke und Brandfälle sowie Sport- und Vereinsanlässe. Ab 1910 tauchen immer mehr Karten mit Fotografien auf.

Ereigniskarte um 1915. Demonstration der neuen Wasserversorgung von Otelfingen.
Ereigniskarte 1920. Grenzposten/Seuchenwache anlässlich der Maul- und Klauenseuche in Otelfingen und Umgebung
Ereigniskarte 1927. Flugunfall auf Höch, Gemeindegebiet Würenlos AG, direkt an der Kantonsgrenze zwischen Zürich und Aargau.
Privatpostkarte 1920. Freundschaftsschiessen
vom 20. oder 27.6.1920 zwischen dem Schiessverein Wiedikon (Zürich) und dem Schiessverein Otelfingen.
Kitschkarte “Gruss aus Otelfingen”, um 1920

Ab 1900
Die jährlich verschickten Ansichtskarten gehen weltweit in die Milliarden. In der Schweiz sind es zum Beispiel 1902 bereits 22 Millionen Stück und dies bei einer Bevölkerung von ungefähr 3 Millionen. Der erste Weltkrieg von 1914-1918 bringt einen ersten Einbruch im Verschicken, der Höhepunkt wird gegen 1930 erreicht, nachher geht der Gebrauch der Post- und Ansichtskarten vor allem wegen der ab 1920 immer stärkeren Verbreitung des Telefons weiter zurück.

Firmenpostkarte G.H. Fischer, Fehraltorf. Absender Frau Koch, Handlung, Boppelsen. Datiert 19.7.1921, von Boppelsen (Balkenstempel) via Otelfingen (Entwertungsstempel auf Briefmarke)
nach Fehraltorf ZH

Ab 1945
Das Interesse am Verschicken und Sammeln nimmt weiter ab und erreicht um 1960 einen Tiefpunkt. Nach dem zweiten Weltkrieg erkennt man jedoch den historischen Wert der Ansichtskarten, zeigen diese oft inzwischen zerstörte oder verschwundene Gebäude oder einen früheren Zustand des Hauses, einer Strasse, eines Stadtteils oder Dorfes. In den kriegsversehrten Ländern helfen sie deshalb beim originalen Wiederaufbau zerstörter Gebäude.

Ab 1970
Ansichtskarten als Sammelobjekte werden für Sammler wieder interessant, was in den Achzigerjahren zu einem enormen Preisanstieg bei alten und seltenen Karten führt. Auf jedem Flohmarkt, aber auch bei spezialisierten Händlern und auf Verkaufsplattformen im Internet kann man nach noch bisher nie gesehenen Karten stöbern. Ungefähr 20 Jahre später hat sich der Markt beruhigt, die Preise rückläufig, und viele Anbieter sind inzwischen verschwunden. Die alten Karten liegen in meist privaten Sammlungen und dürften erst nach Jahren wieder in Nachlässen und Erbschaften auftauchen.

Ab 1990
Elektronische Medien (wie e-Mails, SMS, WhatsApp, Facebook und Co.) lösen in grossem Stil die Ansichtskarte ab. Das Verschicken von schriftlichen Grüssen und Informationen mit einer Ansichtskarte ist aber auch heute nicht verschwunden und behält seinen Platz in der Gesellschaft als persönliches Kommunikationsmittel.

Hans Günter
2024

Quelle(n)

  • Böhmer Roland, Ich wollt’s auf tausend Karten schreiben – Ansichtskarten aus dem Kanton Zürich 1890-1930, Chronos Verlag Zürich, 2021
  • Wicki Otto, Geschichte der Post- und Ansichtskarten, Verlag Zumstein & Cie. Bern, 1996
  • Gross Kuno, Heimatkundliche Vereinigung Furttal, Mitteilungsheft Nr. 53/2024