Seuchenwache und Grenzposten | 1920
1920 brach in Wettingen und Würenlos die von den Bauern so sehr gefürchtete und hochansteckende Maul- und Klauenseuche MKS aus. Sofort wurden die betroffenen Betriebe hermetisch abgeriegelt, und die Verbindungsstrassen in die Nachbardörfer kontrollierte man streng. Durchlass erhielt nur, wer nachweisen konnte, dass er einen wichtigen Auftrag im Dorf zu erfüllen hatte und natürlich auch die Bewohner. Der Gemeinderat Otelfingen setzte dazu bewaffnete Bürger ein, die auf allen Seiten des Dorfes „Grenzposten“ errichteten.
Die Aufnahme stammt von der Landstrasse mit Blickrichtung Otelfingen, genau an der Grenze zum Kanton Aargau und ungefähr in der Mitte zwischen den Höfen Steinbrüggli und Steindler. Auf dem Wagen liegt ein Fass, das eine Desinfektionslösung enthält. Passanten mussten sich ausweisen und ihre Schuhe desinfizieren, bevor sie ins Dorf gelangen durften. Ein Ausbruch der MKS in Otelfingen konnte im Jahr 1920 vermieden werden. Aber das Ereignis war den Bewohnern wichtig genug, um daraus eine Ansichtskarte mit dem Titel „Klauenseuchegefahr Juni/Juli 1920 Otelfingen“ herstellen zu lassen.
Dr. August Byland (1868-1937), Sekundarlehrer in Otelfingen von 1912-1929, schreibt in seiner „Gemeindechronik von Otelfingen 1918-1920“: 1920 war ein verhängnisvolles Jahr für unser Land, da so viele Gegenden von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht wurden. Auch in unseren aargauischen Nachbargemeinden Wettingen und Würenlos hauste diese Seuche und richtete grossen Schaden an. Man fürchtete bei uns, trotz aller Vorsichtsmassnahmen, könnte eine Einschleppung stattfinden. Diese blieb zum Glück aus, aber die indirekten Folgen der Seuche spürte man doch. Hemmung von Verkehr und Handel, teures Vieh und Milchmangel. In unserem hablichen Bauerndorf konnte man vergeblich bei einem halben Dutzend Landwirten anklopfen, wenn es sich um Bezug von 1-2 Liter Milch täglich handelte. Ein siebenter erklärte sich bereit, so viel zu liefern, jedoch nur 1-2 Monate, dann werde eine Kuh hoch trächtig und man müsse für später einen anderen Lieferanten suchen.
Die Maul- und Klauenseuche MKS kann innert kürzester Zeit alle Klauentiere eines Betriebes befallen. Besonders gefährdet sind Rinder, während bei Schweinen, Schafen und Ziegen die Krankheit milder verläuft. Übertragen wird das Virus durch direkten Tierkontakt und feinste Tröpfchen in der Luft. Aber auch im Stallmist, in der Jauche, Rohmilch und in ungenügend erhitzten Milchprodukten kann sich die Seuche rasch ausbreiten. Die Verfütterung von erregerverseuchtem Fleisch und kontaminierter Milch führt ebenfalls zu weiteren Ansteckungen unter den Tieren. Das Virus ist bis zu drei Monate übertragbar. In der Regel bleibt den Besitzern nur das Schlachten der erkrankten Tiere. Früher war jeder Einwohner bzw. jede Familie verpflichtet, einem betroffenen Bauern eine gewisse Menge des Fleisches („Fallfleisch“) zu einem bestimmten Preis abzunehmen. Dies wurde allen Haushalten durch den Dorfweibel mitgeteilt. So wollte man den Verlust eingrenzen und die Solidarität mit den in ihrer Existenz bedrohten Betroffenen fördern. Für Menschen ist die Seuche aber nicht gefährlich. Seit 1980 ist die Schweiz MKS-frei.
Quelle(n)
- Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Bern
- Byland August, Sekundarlehrer in Otelfingen 1912-1929, Gemeindechronik von Otelfingen 1918-1920, heute in der ZB Zentralbibliothek Zürich